Unsere kleine schulische Zeitreise


Wie war das eigentlich früher in der Schule?


Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, beschäftigten wir, die 3b der Schule am Ostertor in Tönning, uns über zwei Wochen mit dem Thema „Schule vor 100 Jahren“. Wir durchstöberten unsere Schule nach alten Exponaten oder Hinweisen aus der Zeit, in der dieses Schulgebäude erbaut wurde. Es wurde ein Projekttisch mit vielen Dingen aus dieser Zeit bereitgestellt, einige Kinder und auch Kollegen und Kolleginnen der Schule brachten alte Schuluntensilien mit in die Schule. So hatten wir die Möglichkeit, auch mit Griffel und Schiefertafel bzw. mit Stahlfeder, das Schreiben in der Sütterlinschrift zu üben. Das Quietschen und Kratzen hallte durch den Klassenraum. Ebenso das Stöhnen der Schüler und Schülerinnen über die ungewohnte Anstrengung und die vergebliche Liebesmüh, wenn der ganze hart erarbeitete Text wieder mit dem Schwämmchen von der Schiefertafel gewischt werden musste. Nachdem wir in einigen Übungssequenzen auch die damaligen Klassenregeln und Begebenheiten verinnerlicht hatten, beschlossen wir, uns einen ganzen Tag auf das Experiment „Schule vor 100 Jahren“ einzulassen. Mit geflochtenen Zöpfen und gegelten Scheiteln „reisten" wir zurück in die Wilhelminische Kaiserzeit und erlebten einen ganzen Schultag von früher. In den Schulen vor 100 Jahren herrschten harte Sitten. „Sprechen, plaudern, lachen, flüstern, hin- und herrücken, heimliches Lesen und neugieriges Umhergaffen dürfen nicht vorkommen“, so steht es im strengen Regelwerk geschrieben. Die strenge Lehrerin Frau Knudsen, im hochgeschlossenen Kleid, Nickelbrille und originalem Schuhwerk aus der Kaiserzeit und der noch strengere Mathematiklehrer Herr Jannsen, ebenfalls entsprechend der zeitlichen Gegebenheit gekleidet, „spielten“ ihre Rolle, laut Schüleraussagen, durchaus glaubwürdig. Dies lag nicht nur an dem originalen Rohrstock, der sich noch im Rektorenzimmer finden ließ, der aber natürlich nicht real zum Einsatz kam. Die Sorge der Mädchen, die Ecken könnten für die Schar an Jungen in unserer Klasse nicht ausreichen, blieb unbegründet- da auch die Mädchen an diesem Tag bisweilen ein paar Minuten in selbigen verbrachten. Alle Schülerinnen und Schüler nahmen ihre Rollen sehr ernst und warteten auf die „Befehle“ des Lehrers. Unser Schuldirektor Herr Sörensen erstattete uns einen Besuch und wurde vorbildlich begrüßt, daraufhin standen einige Kinder danach so lange, bis sie die Aufforderung bekamen, sich setzen zu dürfen. Die Kinder waren mit so viel Feuer und Eifer dabei, dass wir daraufhin kurzfristig einen Ausflug in das Schulmuseum Hollingstedt geschenkt bekommen haben. Das Schulhausmuseum in Hollingstedt befindet sich noch im Schulgebäude selbst und stellt die Entwicklung einer Dorfschule dar. Mittelpunkt der Sammlung ist dabei ein Schulzimmer auf dem Stand von 1876. Sogar die Portraits von Kaiser Wilhelm II. und seiner Frau Auguste Viktoria hängen an den Wänden des Klassenzimmers. Entsprechend gekleidet und vorbereitet saßen wir kerzengerade in dieser authentischen Umgebung und lauschten Herrn Gramlows Unterricht und seinem Geigenspiel. Im Anschluss erhielten wir noch eine Führung durch die original eingerichtete Lehrerwohnung und sangen zum Abschied ein gemeinsames Lied, welches aus dem Grammophon schnarrte. Ein tolles und unvergessliches Erlebnis, welches einen schönen Abschluss dieses geschichtlichen Zeitsprunges bot. Dieses Projekt und dieser Ausflug zeigten sogar in den folgenden Schultagen ihre Nachwirkungen, die Jungen trugen gemütliche Hosenträger und einige der Kinder meldeten sich weiterhin unbewusst nach damaligen strikten Regeln: „Die rechte Hand hebt sich, wobei die linke Hand den Ellenbogen des rechten Armes stützt.“ Insgesamt fielen aber die Schüler und Schülerinnen wie auch wir Lehrer schnell in unsere alten Verhaltensweisen zurück.


Zeitreisen sind ja auch nur auf Zeit! Zum Glück!